Содержание материала

Zarskoe Selo 

So setzte ich mich am 4. August mit dem “Preußischen Adler” aus Stettin in Bewegung. Das Wetter war angenehm, und wir näherten uns am dritten Tag der Reise Kronstadt, als sich uns aus Oranienbaum ein Hofkutter näherte und unser Schiff anhielt. Alle drängten sich an Bord, um den Grund für diesen Halt zu erfahren. Von dem Kutter kommt ein Hofbeamter an Bord des Schiffes und begibt sich mit einem Papier zum Kapitän. Ich höre, dass er meinen Namen nennt. Ich melde mich und der Beamte teilt mir mit: “Ich habe den Auftrag, Sie von dem Schiff zu holen und nach Zarskoe Selo zu bringen”. Meine Lage war nicht angenehm. Ich reiste auf dem Dampfer nach unserer Gewohnheit im Ausland in Zivilkleidung, und wenn meine geistliche Kleidung auch im Koffer bei mir war, so hatte ich doch keinen geistlichen Hut, den ich erst in Petersburg zu kaufen beabsichtigte. Dabei erinnerte ich mich, wie ich das letzte Mal nach meiner Ankunft in Peterhof in Erwartung meines Hutes aus Petersburg zwei Tage in meiner Zelle saß, ohne ausgehen zu können. Als ich das alles überlegt hatte und noch mehr befürchtete, dass man mich nach meiner Ankunft zur Kaiserin beordern würde, hielt ich es für vernünftiger, mich zunächst nach Petersburg zu begeben, und lehnte es ab, den Dampfer zu verlassen. Der Abgesandte widersprach mir nicht und bestand nur darauf, dass ich auf dem Papier, das ihm mit diesem Auftrag überreicht worden war, unterschrieb, dass ich es gelesen hatte und nach Petersburg gefahren sei, was ich auch tat, wobei ich hinzufügte, dass ich am folgenden Tag in Zarskoe Selo erscheinen würde. Nach Beendigung dieser Verhandlungen setzte sich unser Dampfer wieder in Bewegung, und wir fuhren nach Kronstadt ein, von wo ein anderer kleinerer Dampfer uns nach Petersburg brachte. 

Am Morgen des nächsten Tages kleidete ich mich ganz nach russischer Art in meine geistliche Kleidung und begab mich mit der Eisenbahn nach Zarskoe Selo, wo mich am Bahnhof eine Hofkutsche erwartete. Im Palais angekommen, traf ich am Eingang den Grafen Gortschakow, der schon wusste, dass mich die Kaiserin  gerufen hatte und mich als aufgehenden Stern begrüßte und scherzend hinzufügte: “Jetzt wird Sie Kardinal Bazanow schief ansehen”. Er bezeichnete Wasilij Borisovitsch gerne im Scherz als Kardinal, wodurch er dessen hohe Stellung in der Gesellschaft und seinen halb weltlichen und halb geistlichen Einfluss auf aktuelle Ereignisse kennzeichnete. 

 

Man wies mir eine Wohnung im sog. “Halbkreis” gegenüber dem Schloss zu, wo alle Erzieher der Großfürsten untergebracht waren, und am selben Tag wurde ich von der Kaiserin empfangen, die mir eine ausführliche Unterredung gewährte, insbesondere über die Erziehung der Zarenkinder. Im Verlauf dieser Unterredung kam der Zar herein, der mich sehr liebenswürdig begrüßte. Er blieb einige Minuten still stehen, hörte unserem Gespräch zu, mischte sich jedoch mit keinem Wort ein. Das erstaunte mich dieses Mal etwas, doch in der Folge erfuhr ich, dass er die Erziehung der Kinder völlig der Kaiserin überlassen hatte und nie an den Anweisungen dazu teilnahm. Nur bei den Plänen von Titow, der als Erzieher des Thronfolgers eingeladen war, tat er seinen Willen entgegen den Wünschen der Kaiserin kund, die den träumerischen Plänen Titows hinsichtlich der Erziehung des Thronfolgers von ganz Russland zugeneigt war. Infolge der deutlichen Willenskundgebung des Zaren trat Titow von seinen Verpflichtungen zurück und kehrte auf seinen Posten als Gesandter in Stuttgart zurück.

Von mir wurde natürlich keinerlei Lehrplan erwartet. Meine Aufgabe war nur der Religionsunterricht und die Ausübung eines sittlichen Einflusses auf meine Zöglinge. Die Kaiserin hatte allerdings in ihren Zielen, die sie im Brief an die Großfürstin Olga Nikolaewna niedergelegt hatte, bei der Auswahl meiner Person für diese Aufgabe einen umfangreicheren Lehrplan im Sinn, da dort die Rede von der erzieherischen Bedeutung des Religionslehrers und seinem Einfluß auf die Erzieher selbst die Rede war. Doch eben darin bestand die ganze Schwierigkeit der Aufgabe. Ich weiß nicht, ob die Erzieher das verstanden oder ob sie von oben einen Hinweis erhalten hatten, doch ich bemerkte seit meinem ersten Erscheinen in ihrem Kreis, dass sie mir nicht besonders gewogen waren. Es begann damit, dass sie alle über meine Ankunft erstaunt waren, als ob sie unerwartet sei. Ich nehme an, dass sie vielleicht wirklich nichts über die Unterredungen über mich wussten. 

Indessen wurde ich fast jeden Tag zu Gesprächen mit der Zarin gerufen. Das weckte in ihnen zunächst Neid, und dann begann es ihnen Angst einzuflößen. So begann gegen mich eine Intrige, die mir die Großfürstin Maria Nikolaewna vorausgesagt hatte. Sie errieten, dass man mich dem Thronfolger beigesellen und durch mich vielleicht sogar Bazanow selbst ersetzen wollte. Daher riefen sie eilig aus Petersburg den Erzpriester Roshdestwenskij herbei, der wohl in diesem Sommer mit den Großfürsten schon in Happsala war, doch keine derartige Nähe zur Kaiserin genoss. Sie riefen ihn unter dem Vorwand, dass der in Happsala mit dem Thronfolger begonnene Unterricht abgeschlossen werden müsse, und brachten ihn in demselben "Halbkreis" neben mir unter, mit der Bemerkung, dass es mir nicht langweilig werden sollte. Unterdessen lud man mich täglich zum Essen entweder zu den Großfürsten oder zur Großfürstin Maria Nikolaewna ein. I. V. Roshdestwenskij wurde auch eingeladen und stand als längst vertrauter Mensch mit allen in gutem Einvernehmen. So verging eine ganze Woche. Unter diesen Umständen war ich sehr froh, von unserer Großfürstin einen Brief zu erhalten, in dem sie schrieb, dass ich, ohne irgend ein positives Versprechen zu geben, zum 14./26. September nach Stuttgart zurückkehren sollte, zur Rückkehr ihrer Hoheit dorthin aus Interlaken. Man musste das kaum verborgene Vergnügen meiner Mitbewohner im “Halbkreis” sehen, als ich ihnen diese Nachricht mitteilte. Mein Onkelchen Roshdestwenskij wurde böse und sagte, dass er nicht den ganzen Unterricht bewältigen könne. Die Kaiserin, zu der ich mit dieser Nachricht kam, war sehr traurig über meine Abreise und verabschiedete sich sehr freundlich von mir.