Archaeopteryx - (Urvogel)
Archaeopteryx - (Urvogel)
Am 19. April 2008 jährte sich der Todestag des Begründers der Evolutionstheorie, Charles Darwin zum 126. Mal. Die hitzigen Diskussionen um sein Erbe nehmen allerdings auch heute kein Ende. Nicht nur innerhalb der biologischen Wissenschaft, sondern in kulturologischen, anthropologischen, pädagogischen und anderen Kontexten wird über die evolutionstheoretisch begründete Sicht der Welt und des Menschen gestritten. Doch scheint die philosophische Verarbeitung der Bedingungen und Konsequenzen dieses Weltmodells in den Ausführungen – vor allem aber in den Popularisierungen – zu kurz zu kommen.
Die einzig aufrichtige Frage des Forschers an die Natur lautet:
„Zeig mir, wer du bist, damit ich erkenne, wer ich bin!“
Bischof Nikolaj Velemirovic,
Gedanken über das Gut und Böse

Kein Wunder also, dass im Kopf des Menschen zunehmend abstrakte Gedanken auftauchten
Bemerkung zur Evolution des Menschen im Artikel „Rechner von Morgen“,
Spiegel Nr. 17/2007 vom 23.04.2007

Wenn einem Begriff Qualitäten zugeschrieben werden, die einander widersprechen, so würde ich sagen, dass dieser Begriff mathematisch gesehen nicht existiert
David Hilbert

Einführung

Am 19. April 2008 jährte sich der Todestag des Begründers der Evolutionstheorie, Charles Darwin zum 126. Mal. Die hitzigen Diskussionen um sein Erbe nehmen allerdings auch heute kein Ende. Nicht nur innerhalb der biologischen Wissenschaft, sondern in kulturologischen, anthropologischen, pädagogischen und anderen Kontexten wird über die evolutionstheoretisch begründete Sicht der Welt und des Menschen gestritten. Doch scheint die philosophische Verarbeitung der Bedingungen und Konsequenzen dieses Weltmodells in den Ausführungen – vor allem aber in den Popularisierungen – zu kurz zu kommen. Man streitet sich viel mehr über die Beweislage in die eine oder die andere Richtung und vergisst dabei leicht eine der Hauptfragen aller Erkenntnis: Welche Konsequenzen diese oder jene Sicht des Menschen für die menschliche Entwicklung, für den Sinn des Lebens, für die Erziehung der Kinder und für die allgemeine Einstellung zum Leben und zur Natur hat. Die Diskussionen werden überwiegend so geführt, als ginge es nur um die Findung einer abstrakten wissenschaftlichen Wahrheit. Doch, die Hitze der Debatten lässt ahnen, dass es um viel mehr geht, als um Tatsachenfindung.

Das Bedürfnis, die Bedingungen und Konsequenzen von wissenschaftlichem Wissen und von wissenschaftlichen Theorien metawissenschaftlich zu erkunden, ist dem Menschen seit jeher eigen. Jeder Zweig der Wissenschaft wird von der jeweiligen Philosophie begleitet als einem Versuch, diesen Zweig in seiner Bedeutung für den Menschen zu erfassen sowie die fundamentalen Grundprinzipien desselben und ihre logische Struktur zu verstehen. Selbst Wissenschaftszweige, deren Methoden und Erkenntnisse oft über jeden Zweifel erhaben sind, werden von philosophischen Diskussionen, hitzigen Debatten und oft diametral gegenteiligen Positionen begleitet. Sowohl die Physik als auch die Königin der Wissenschaften, die Mathematik, besitzen jeweils eine reiche Philosophie, wo zum Teil sehr unterschiedliche Positionen in Bezug auf die Grundlagen der Wissenschaft und auf die Interpretation derselben gehandelt werden. In diesem Zusammenhang seien die unterschiedlichsten Interpretationen der Quantentheorie und der Kosmologie in der Physik und die Bedeutung der Gödelschen Unvollständigkeitssätze in der Mathematik erwähnt. Im ersteren Fall gibt es sehr bedeutende Konsequenzen für unser Verständnis der Verbindung zwischen Erkenntnis und materieller Welt. Im zweiten Fall sind es Folgen für die Philosophie des Geistes und für Modelle des menschlichen Bewusstseins, die sehr aufregend sind.

Die Evolutionstheorie – oder vielmehr ihre Popularisierung und Ideologisierung – bleibt dagegen von der wissenschaftstheoretischen, erkenntnistheoretischen und normativen Analyse ihrer Grundlage bis heute weitgehend verschont. Man könnte soweit gehen zu sagen, dass die Physiker des 20. Jahrhunderts zwar nicht, wie die biblische Maria, den Platz an den Füßen Jesu gefunden haben, so doch ihre Köpfe vor dem Unbekannten Gott beugten. Die Biologen aber, vor dem Wunder des Lebens stehend, hängen noch oft den materialistischen Interpretationen des 19. Jahrhunderts an. Dies führt dazu, dass die Wissenschaft – die in erster Linie Wissenschaft sein und bleiben soll – von vielen Leuten auf einer sehr oberflächlichen Weise normativ missbraucht wird.

Auch die Evolutionstheorie sollte durch eine philosophische Debatte begleitet werden. Diese muss die Evolutionstheorie aus den Blickwinkeln der Logik ihrer Grundprinzipien, der wissenschaftstheoretischen Annahmen und Folgen, der Ethik und des menschlichen Trachtens nach Sinn beleuchten. Diese Aspekte kommen in den öffentlichen Debatten in der deutschen Presse, im Internet, in den Schulen kaum zum Vorschein.

Im Gegenteil, die (mechanistisch aufgefasste) Evolutionstheorie wird häufig als eine einfache, weiter nicht hinterfragbare, wissenschaftlich gesicherte Tatsache der unmittelbaren Erfahrung dargestellt. Die Einsicht in den Modellcharakter aller wissenschaftlichen Theorien scheint im Falle der Evolutionstheorie ausgeblendet.

In diesem Aufsatz möchte ich einige logische und anthropologische Probleme aufzeigen, die durch die mechanistische Sicht der Entstehung des Menschen auftreten. Ferner möchte ich eine Alternative aufzeigen, die intellektuell befriedigender, wissenschaftlich befreiender, pädagogisch sinnvoller und allgemein menschlich fruchtbarer zu sein scheint.

Die zwei Evolutionstheorien

Oft wird die Diskussion um die Evolutionstheorie so geführt, als ob die Grundfesten des Humanismus und der Aufklärung auf der einen bzw. des christlichen Weltbildes auf der anderen Seite entlang der Frage nach der Evolution des Menschen verteidigt würden. So schreibt beispielsweise Klaus Zintz in seinem Beitrag „Lehramtsstudenten und Evolution. Erschreckend“: „Und allen wissenschaftlichen Beweisen zum Trotz, mit denen seither diese Theorie lückenlos belegt wurde, glauben viele Christen nach wie vor an die biblische Schöpfung durch ein übergeordnetes Wesen… Die Antworten auf weitere Fragen, etwa ob ein höheres Wesen für die Erschaffung des Menschen verantwortlich sei, verstärken den Eindruck, dass die wissenschaftlichen Fakten zur Entstehung der Arten von vielen jungen Leuten angezweifelt werden. Sie glauben offenbar lieber an das Wirken eines übergeordneten "Designers", hängen also der in der USA recht verbreiteten Intelligent-Design-Bewegung an.“ (Stuttgarter Zeitung, Wissenschaft und Medizin, 27.04.2007). Spannend, wie nach 300 Jahren westeuropäischer Philosophie – von der osteuropäischen oder gar fernöstlichen ganz zu schweigen – ein wissenschaftlicher Autor dermaßen naiv Begriffe und Ideen durcheinander wirft, über die die Menschen eigentlich schon gelernt haben, sauber zu denken. Dieser Naivität, die allzu leicht in überhebliche Ignoranz übergeht, liegt ein altes Missverständnis zu Grunde, dass nämlich Wissenschaft dem Glauben an Gott widerspräche. In Wahrheit kann es sich nur um die Auseinandersetzung zwischen Glauben und Atheismus, nicht aber zwischen Glauben und Wissenschaft handeln. So sind aus der Sicht des Atheismus gläubige Wissenschaftler nicht ganz vollständig. Ähnlich sehen die gläubigen Wissenschaftler ihre atheistischen Kollegen. Die Entscheidung für den einen oder den anderen Weg erfolgt allerdings vorwissenschaftlich. Die Wissenschaft kann dann die getroffene Wahl unterstützen, oder aber für deren Unterstützung missbraucht werden.

Im Fall der Evolutionstheorie handelt es sich ebenfalls nicht um einen Streit zwischen „der Wissenschaft“ und „dem Glauben“. Es geht dort vielmehr um zwei ähnliche, aber nicht deckungsgleiche Diskurse, deren Vermischung oft dazu führt, dass die Kontrahenten an einander vorbeireden. Den einen Diskurs möchte ich „Evolution als Zufallsprozess“, den anderen „Evolution als von Gott gesteuerter Prozess“ nennen.

Die Evolution als Zufallsprozess wird hauptsächlich als durch zwei Mechanismen gesteuert modelliert: Zufällige Genmutationen sowie anschließende „natürliche Auswahl“ durch Überleben der am besten an ihre jeweilige Umgebung angepassten Spezies. Dabei muss noch ein globaler und lokaler Aspekt unterschieden werden. Der lokale Aspekt – Mikroevolution – bezieht sich auf die oft beobachtbare Tatsache, dass sich Populationen einer bestimmten Art aufgrund von genetischen Veränderungen und anschließender Auswahl innerhalb eng gezogener Grenzen verändern und dadurch besser überleben können. Dieser Aspekt wird genauso als Evolution bezeichnet wie der globale Aspekt. Letzterer – auch Makroevolution genannt – bezieht sich auf den „Baum des Lebens“, also auf die postulierte Entwicklung von relativ einfachen einzelligen Organismen zu verschiedenen Arten bis hin zum Menschen. Ich möchte betonen, dass ich mich im Folgenden nur mit dem globalen Aspekt beschäftigen werde.

Der zweite Prozess, (d.h. die durch Gott „gesteuerte“ Evolution), lässt sich mit Verweis auf die biblische Schöpfungsgeschichte als eine gültige Möglichkeit ansehen, wie der Schöpfer alles Lebende ins Dasein gebracht hat. Ich möchte zeigen, dass der biblische Schöpfungsbericht selbst zum Modell der Evolution kompatibel ist, und dass dieser Standpunkt befreiend auf den Wissenschaftler / die Wissenschaftlerin wirken kann.

An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass die Entscheidung eines jeden darüber nachdenkenden Menschen für das eine oder für das andere Modell vorwissenschaftlich ist. Weder eine einzelne Wissenschaft noch alle Wissenschaften zusammen können uns das materialistische Weltbild wissenschaftlich beweisen. Und dass folglich die jeweilige Wahl der Gefolgschaft rein willentlich vom Menschen getroffen wird. Um die (außerwissenschaftliche) Wahrheit dieser Aussage zu unterstreichen möchte ich noch folgendes Beispiel anführen, nämlich die Existenzaussage, die jedem atheistisch eingestellten Wissenschaftler lieb sein muss: „Nur die Tatbestände existieren, die eine der Wissenschaften (oder alle zusammen) als existierend nachweisen kann“. Kann nun diese Aussage als solche von einer der Wissenschaften (oder allen zusammen) nachgewiesen werden? Offensichtlich nicht. Das bedeutet aber, dass diese Existenzaussage nicht von einem konsequenten (positivistisch eingestellten) Wissenschaftler vertreten werden kann.

Ich möchte im Folgenden allerdings die Konsequenzen der jeweiligen Wahl für den Menschen, für die Wissenschaft, für den Verstand, und für die Kindererziehung aufzeigen.

Evolutionstheorie als (mechanistisch aufgefasster) Zufallsprozess

Zufall mit Drift

Die klassische Sicht der Evolutionstheorie stipuliert einen zufallsgesteuerten Mutationsprozesses, der durch natürliche Auswahl der an die Umweltbedingungen besser angepassten Spezies zu immer komplizierter organisierten Lebewesen und schließlich zum Menschen geführt hat und der auch über den Menschen hinaus immer weiter geht. Der Prozess besteht also aus zwei Teilen: Einem Mutationsprozess, der als sog. Wienerprozess modelliert werden kann, also als ein Zufallsprozess, dessen Ergebnis (nach beliebig langer Zeit) normal verteilt ist – und der somit keine spezielle Entwicklungsrichtung bevorzugt und einer Drift, also der Tendenz, die das Ergebnis immer nach „oben“ treibt, in Richtung größerer Komplexität. Die zufälligen Mutationen werden durch den normalverteilten Zufallsprozess modelliert, der keine Komplexitätserhöhung beinhaltet und der rein zufällig mal eine Erhöhung mal eine Verringerung der Komplexität verursacht. Die natürliche Auswahl ist dann für die Drift verantwortlich, die für die offenkundige Komplexität sorgt. Natürlich, muss man sich die Drift als ungemein stark denken, um sich die ungeheure Komplexität des Lebens als Ergebnis eines solchen Prozesses vorstellen zu können. A priori ist es eigentlich überhaupt nicht klar, dass sich Anpassung an die jeweilige Umgebung wie eine Dampflokomotive auf die Komplexität der Organismen auswirken muss. Man kann sich viel einfacher vorstellen, dass genau das Gegenteil, nämlich Vereinfachung, viel eher der Anpassung nutzt. Bakterien werden im Gegensatz zu höheren Lebewesen auch einen Atomkrieg überleben, von Steinen und Staub ganz zu schweigen. Wie kommt es, dass Anpassung die rein zufälligen Mutationen in Richtung höhere Komplexität – und zwar mit ungeheurer Stärke – treibt? Niemand weiß es. Aber es ist so. Aus der Sicht der mechanistisch-zufallsgeleiteten Evolutionstheorie (oder vielmehr ihrer Popularisierer) ist es eine beobachtbare Tatsache. Die Komplexität ist ja offenkundig da. Also muss sie durch die Drift entstanden sein. Denn einen anderen natürlichen Mechanismus außer der Anpassung kennt dieses Modell nicht und andere Modelle existieren ebenfalls nicht.

Eine andere (materialistische) Erklärung, geschweige denn eine bessere, haben wir nicht. Und das ist ein großes wissenschaftliches Problem. Um frei und unvoreingenommen wissenschaftlich arbeiten zu können, ist es immer nützlich, mehrere konkurrierende Theorien zur Verfügung zu haben. Dies ist bei den mechanistischen und materialistischen Grundprinzipien der Evolutionstheorie nicht gegeben. Im Gegenteil, diese Grundprinzipien werden meist a priori postuliert. Für die Wissenschaft und vor allem für die Wissenschaftler ist dies ein ihre Freiheit beraubender Umstand.

Kompatibilität von Mensch und Zufall

Als Menschen müssen wir uns geistig sehr anstrengen, um uns bei der Vorstellung dieses Zufallsprozesses wirklich keine Zielstrebigkeit oder Vorausschau vorzustellen, sondern das ganze Geschehen nur im Hier und Jetzt zu denken. Woher kommt diese Schwierigkeit? Nun, wir sind gewohnt, zielorientiert zu denken. Unsere Vorstellungen bewegen sich immer sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Die letztere hat beim Vorstellen des evolutionären Zufallsprozesses nichts zu suchen. Doch auch die Fähigkeit, sich immer den gesamten Zeitstrahl zu denken, müsste gemäß dem Modell evolutionär und zufällig entstanden sein. Aber gerade diese Fähigkeit steht unserer Bestrebung dermaßen im Wege, diesen Prozess so vorzustellen, wie er „wirklich“ ist. Das menschliche Verstehensvermögen, das sich ja auch auf diese Weise entwickelt hat, scheint also mit seiner eigenen Entstehung nicht kompatibel zu sein.

Dies ist eine der Schwierigkeiten, die eine konsequente Verfolgung und Entwicklung der zufalls-evolutionären Anthropologie und ihrer Folgen für die Wissenschaft, für die Erkenntnistheorie und für die Pädagogik intellektuell so plagen. Weitere folgen.

Verleugne dich selbst

Menschen sind sehr vielfältige und widersprüchliche Wesen. Es ist unser Glück und unser Unglück. Unsere Höhe und unsere Tiefe. Unser Himmel und unsere Hölle. Menschen können etwas, was kein anderes Tier dieser Erde vermag: Sich selbst verleugnen. Und zwar sowie zum Guten als auch zum Bösen.

Nun gibt es im Rahmen der mechanistischen Evolutionstheorie für den ersteren Fall schon längst eine Erklärung. Menschen verhalten sich in hohem Maße selbstlos aus (Gen-)Egoismus. Im Laufe der Evolution haben diejenigen besser überlebt und ihre Gene weitergegeben, die sich für die Familie, später durch die Gemeinschaft ersetzt, aufgeopfert haben. In diesem Fall ist alles klar.

Der zweite Fall scheint weniger klar. Menschen werfen sich vor Züge, ertränken sich, hängen sich auf, erschießen sich (und andere) und springen von hohen Gebäuden. Natürlich sprechen wir auch vom Selbstmord der Wale. Aber das ist eher eine Sprachwendung als genaue Beschreibung der Absichten von Walen. Bei Menschen lässt sich die Absicht und Hintergrund der Selbsttötung im Gegensatz zu Walen oder Lemminge oft klar erkennen. Es gibt vielfältige Gründe für dieses Benehmen, das im Gehirn verankert ist und somit evolutionär entstanden sein muss. Es muss auch Vorteile bieten, die das Überleben der Gattung bzw. der Gene sichern, sonst würden diese Eigenschaften, selbst wenn sie durch zufällige maligne Mutationen entstanden sein mögen, im Laufe des langen Evolutionsprozesses nicht überleben können. Es nutzt also wenig zu sagen, solches Benehmen sei eine Anomalie, eine Krankheit, die irgendwann evolutionär ausgerottet sein wird, da ja die Träger der entsprechenden Gene schneller sterben und sich folglich weniger fortpflanzen und um ihre Nachkommen kümmern können. Das seelische Erbe, das sie hinterlassen, wirkt bekanntlich in ihren Kindern weiter und führt sie oft in Schwermut, was ihnen wiederum (hoffentlich) die Freude am Kinderkriegen verdirbt. Wäre dem so, wäre diese Eigenschaft bereits längst ausgerottet, oder zumindest auf ein absolutes Minimum zurückgedrängt.

Auch eine mögliche Erklärung, die eine soziale und zivilisatorische Verursachung weit verbreiteten selbstzerstörerischen Verhaltens ins Feld führt, hilft uns nicht weiter, diesen Erklärungsansatz zu akzeptieren. Im Laufe der Geschichte der natürlichen Auswahl der am besten Angepassten müssten Kreaturen hervorgehen, die die Gefahren, Entbehrungen, Sinnlosigkeiten, Leiden und Qualen dieses Lebens zutiefst genießen und an diese bestens angepasst sind. Denn gefahrvolle Bedingungen herrschten auf dieser Erde seit jeher und bildeten somit die natürliche Umgebung der sich entwickelten Spezies, an die sie sich ja eben anpasste. Ferner muss die Zivilisation ja ebenso als eine menschliche Anpassungsleistung evolutionär verstanden werden und wird oft als solche gepriesen. Wie ist dann eine solche Anpassungsleistung zu verstehen, die zu einer massiven selbstzerstörenden Nicht-Anpassung führt?

Wie ist dann ein Prozess zu begreifen, der eine (aber wirklich nur eine einzige!) Spezies durch Auswahl der am besten Angepassten hervorbringt, die ihre eigene Existenz auf so eine brutale Art verleugnen kann? Eine Spezies, die ihr eigenes Leben als lebensunwürdig empfinden kann und lieber auf schmerzliche Weise damit Schluss macht, als sich weiter anzupassen? Wären wir Menschen nur einfacher, einfältiger, wie Wasser oder Berge oder Sand, dann hätten wir kein Problem, mechanistische Evolution zu begreifen, würden uns nicht in Paradoxien verlieren.

Unzählige Menschen, verschiedene Religionen und Philosophien haben sich mit dem Phänomen des menschlichen Leidens beschäftigt. Von Buddhisten des 6. vorchristlichen bis zu den Existenzialisten des 20. Jahrhunderts, vom Ekklesiasten und Hiob zum Sartre und Woody Allen haben Menschen unter eigener schmerzhafter Unangepasstheit an diese Welt gelitten und verschiedene Lösungen des Hauptproblems der menschlichen Existenz angeboten. Die Menschheit fühlt sich als irgendwie „nicht von dieser Welt“. Nietzsche plädierte für die Überwindung des Menschen, der sich zum zu erreichenden Übermenschen wie der Affe zum Menschen verhält. Siegmund Freud, ein großer Kenner der menschlichen Seele, hat den Todestrieb (Thanatos) postuliert, der den Menschen veranlasst, das Ende seiner Existenz genauso anzustreben, wie er, vom Lustprinzip (Eros) angestachelt, nach Verlängerung seiner Existenz dürstet.

Wie kann uns nun die evolutionäre Anthropologie in dieser desolaten Lage helfen? Wie kann sie uns unsere offensichtlich spürbare Zerrissenheit, unsere substantielle Widersprüchlichkeit plausibel machen, damit wir uns, die Wahrheit über unsere Ursprünge erkennend, beruhigen können? Eine Hoffnung bleibt uns gewiss, dass sich nämlich eine zufällige Mutation ergibt und eine entsprechende Auswahl ans Werk geht, die dafür sorgt, dass sich der Mensch zu einer Spezies entwickelt, die weder nach dem Sinn ihrer Existenz trachtet noch unter dem Fehlen desselben verzweifelt und zerbricht. Diese zukünftige Spezies würde ich gerne dann Homo Hyposapiens nennen. Vielleicht weilen schon einige dieser gesegneten Mutationen in Gestalt der seligen Vertreter der mechanischen Evolution schon unter uns? Wir wollen es hoffen.

Im Augenblick stellen wir aber fest: Dass uns das Universum gefällt und schön und vollkommen vorkommt, wäre noch kein Argument für die Schöpfung. Dass es uns aufs Äußerste missfällt, ist es im Grunde sehr wohl.

Anpassung ist alles

Als einer der großen Philosophen, hat sich Fedor Dostojewski auch mit der Erhabenheit der Anpassung auseinander gesetzt. In seinem Werk „Aufzeichnungen aus dem Untergrund“ lässt er den Haupthelden behaupten, dass nichts einem Menschen mehr Lust bereitet, als gegen Angepasstheit, Gleichförmigkeit und vorgeschriebene Harmonie gewaltig anzugehen.

Ein durch Auslese der Angepasstesten entstandenes Wesen, das doch lieber stirbt als sich anpasst, das lieber den „Kristallpalast“ des Fortschritts und Glücks für alle in einen Scherbenhaufen verwandelt, nur um die eigene Individualität heraus zu streichen – was kann widersprüchlicher wirken?

Dass sich eine Spezies so gut anpasst, dass sie im Begriff ist, sich selbst samt ihrer gesamten Umgebung durch ihr eigenes Tun zu vernichten, ist wahrlich verwunderlich.

Religiosität bietet evolutionäre Vorteile

Vor kurzem habe ich einen Beitrag in einem Internetforum in Sachen Evolution gelesen, in dem es darum ging, dass die moderne Evolutionstheorie ganz klar die religiösen Vorstellungen der Menschheit widerlegt habe. Nur seien 90 % der Weltbevölkerung zu dumm, um das zu erkennen und umzusetzen. Sie seien in ihren religiösen (Wahn-)Vorstellungen verhaftet. Im gleichen Atemzug werden sehr plausible Erklärungen dafür angegeben, wie die Evolution die Religiosität beim Menschen (aber wirklich nur beim Menschen) hervorgebracht haben will. Wie alles andere, was wir am Menschen beobachten, ist demnach auch die Fähigkeit, religiös zu sein, lediglich eine Folge des natürlichen Ausleseprozesses, der die besser an die Umwelt angepassten Spezies bevorzugt hat. Religiosität hilft uns somit irgendwie, in dieser Welt besser voran zu kommen, mehr Nachkommen zu zeugen und sie besser durch das Leben zu bringen. Einige Fakten sprechen deutlich für diese Sicht. Nach einer Studie des Pew Forum on Religion & Public Life, antworten etwa 20% der Europäer und etwa 60% der US-Amerikaner mit Ja auf die Behauptung: „Religion is very important to me“ („Religion ist für mich sehr wichtig“). Man könnte diese Zahl zunächst einmal als Beleg für den religiösen Fundamentalismus der Amerikaner werten. Schaut man dann auf die weiteren Zahlen – Guatemala 80%, Brasil 77%, Indonesien 95%, Indien 92%, Senegal 97%, Nigeria 92% - so erscheint Europa als eine einsame areligiöse Insel im religiösen Weltmeer. Die Geburtenrate korreliert weitgehend mit der Religiosität der Bevölkerung. Das unterstützt die Erklärung der Evolutionstheoretiker in Sachen Entstehung und Nutzen der Religion in eindrücklicher Weise.

Welche Vorteile bringt dann das Fehlen der Religiosität, die die übrigen – fortschrittlicheren – 10 % der Weltbevölkerung genießen? Nun dieselben, natürlich. Die Nichtreligiosität hilft dem Individuum, in dieser Welt besser voran zu kommen, mehr Nachkommen zu zeugen und sie besser durch das Leben zu bringen. Irgendwo gibt es allerdings einen kleinen bisher unentdeckten Haken, der dem religiösen Teil der Weltbevölkerung doch etwas mehr Vorteil sichert indem er sie sich besser vermehren lässt. Das ist Fakt. Sind die Nichtreligiösen vom Aussterben bedroht? Sollen sie lieber schnell zu irgendeiner Religion konvertieren, um die Überlebenschancen für ihre Gene zu sichern? Das wäre wohl eine vernünftige Empfehlung. Die Antwort auf die Frage allerdings, welche der vielen Religionen der Fortpflanzung am dienlichsten sei, möchten wir ihnen selbst überlassen.

Die Frage stellt sich aber, ob diese Art Erklärung ausschließlich für den religiösen Teil der Menschheit schwer nachzuvollziehen ist oder ob auch die Nichtreligiösen damit ein Problem haben könnten? Nämlich mit der folgenden Argumentationsfigur: Ich bin religiös / nicht religiös weil es aufgrund der natürlicher Auswahl vorteilhaft gewesen ist. Würde nicht auch ein nichtreligiöser Mensch eher mit Überzeugungen argumentieren und nichtmaterielle Ursachen ins Feld führen? Und – wenn dem so ist – woran mag das wiederum liegen?

Alles ist zu wenig

Die mechanistische Evolutionstheorie wird oft dafür hoch geachtet, dass sie alle beobachtbaren Tatsachen mit nur wenigen Grundprinzipien erklären kann. Ich glaube, dass dies im Gegenteil die größte Schwäche dieser Theorie ist. Wie oben an einigen Beispielen gezeigt, ein Erklärungsansatz, der „alles“ abdeckt, ist „nichts“ wert. In der Logik gilt das Prinzip, dass aus einem Widerspruch alles gefolgert werden kann. Und obwohl wir uns bei den Grundprinzipien der Evolutionstheorie nicht auf dem felsenfesten Grund der mathematischen Logik, sondern auf sandigem Boden der Philosophie befinden, gibt der Umstand zu bedenken, dass mit Hilfe dieser Grundprinzipien jede Facette des Lebens erklärt werden kann. Selbst die Verleugnung des Lebens durch einen Teil dieses Lebens, den Menschen, wird, erhaben von jedem Zweifel, ebenso durch die gleichen Prinzipien erfasst. Es sieht so aus, dass die Negation dieser Prinzipien aus denselben folgt, dass das Streben nach Überleben eine lebensverneinende Form des Lebens hervorsprudeln lässt, die durch Angst und Hass gegenüber ihrer eigenen Existenz gekennzeichnet ist.

Die Illusion der Objektivität

Zusätzlich zu den logischen und menschlichen Schwierigkeiten mit einem solchen Ansatz kommen zwei weitere hinzu, die damit zu tun haben, wie Wissenschaftler ihr eigenes Tun gestalten und erleben.

Erstens, wenn es nur einen einzigen theoretischen Erklärungsansatz für ein Phänomen gibt, und in diesem Fall geht es um ein sehr umfassendes Phänomen, ist es aus der Sicht eines Wissenschaftlers unmöglich, diesen Ansatz aufzugeben. Denn dann hat er kein Modell mehr, um die Fakten zu ordnen, ihnen größere oder geringere Wichtigkeit beizumessen und in kohärenter Weise über sie nachzudenken. Wenn lediglich ein Ansatz weit und breit vorhanden ist, dann kann ein Wissenschaftler sich nur innerhalb dieses Ansatzes in der Welt seiner Kollegen, sowie der wissenschaftlichen Publikationen bewegen und dort Bestätigung für sein Tun suchen. Es gibt keine Alternativen. Man kann die Theorie nicht zugunsten einer anderen aufgeben, wenn man nicht mehr mit ihr zufrieden ist, oder einfach einen anderen Ansatz ausprobieren möchte, was sich in der Wissenschaft als so fruchtbar erwiesen hat. Man ist als Wissenschaftler dogmatisch festgelegt und letztendlich seiner Freiheit beraubt. Auch lässt die Hitze, mit der die Evolutionstheorie manchmal verteidigt wird, diese Schwierigkeiten ahnen.

Das zweite Problem leitet sich aus der Sicht heraus, dass Wissenschaftler theoriegeleitet arbeiten. Das heißt, jede vorhandene Theorie veranlasst die wissenschaftliche Gemeinschaft, die Fakten gemäß der jeweiligen Theorie zu sehen und zu ordnen (Wissensfiltrierung). Wenn es nun lediglich eine einzige Theorie gibt, dann ist die Neigung groß, alle Fakten gemäß dieser einen Theorie zu ordnen. Die Fakten, die nicht zu passen scheinen, werden entweder als unbedeutend oder zufällig angesehen oder es wird heftig um ihre Interpretation gestritten. Vor allem die letztere Variante füllt die einschlägigen Publikationen.

Das alles führt uns zu der Frage, was Erklärungen überhaupt sind. Und hier wird Plausibilität oft mit Sicherheit vertauscht. Warum sind die Lebewesen so gut an ihre Umgebung angepasst? Na, weil sie durch einen Prozess der graduellen Anpassung so geworden sind, wie sie sind. Das klingt plausibel, also muss es wahr sein.

Mathematik kann helfen

In diesem Abschnitt möchte ich versuchen, das berühmte Resultat Kurt Gödels vom Jahre 1931 über die Unvollständigkeit der (Peano-)Arithmetik auf unsere Überlegungen anzuwenden. Man könnte fragen, was ein mathematischer Satz von vor 75 Jahren mit unserem Thema zu tun haben kann. Nun liegt die Mathematik bekanntlich allen exakten Wissenschaften zugrunde. Sie offenbart außerdem ein Stück weit die Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet. Die Interpretation gewisser mathematischer Fragestellungen liefert manchmal Aussagen darüber, was Wissenschaft und Wissen überhaupt sind sowie darüber, wie der menschliche Geist beschaffen ist. Das Resultat, das der fünfundzwanzigjährige Kurt Gödel entdeckt hat, gehört zu solchen Aussagen, wobei die philosophischen Diskussionen über die Reichweite seiner Entdeckung bis heute andauern.

Die obigen Beispiele von Schwierigkeiten, die einem begegnen, wenn man über die Evolution als einen mechanischen zufallsgeleiteten Prozess nachdenkt, haben alle ungefähr die gleiche Struktur. Es ist die Selbstreferenzierung, die den Menschen schon seit Platon in der Philosophie und seit Anfang des 20. Jahrhunderts sogar in der Mathematik Kopfzerbrechen bereitet. Wohlgemerkt tat sie das aber nur in den Bereichen, in denen man auf mechanistische Art die Wahrheiten über die Welt hat zutage fördern wollen, nicht aber dort, wo selbstreferenzierende Systeme in Kunst (Escher), Musik (Bach) und zwecks Erholung dienen. Es steckt etwas zutiefst menschliches und zugleich geheimnisvolles in Selbstreferenz. Von allen Lebewesen ist lediglich der Mensch imstande, sich selbst beim Denken zu beobachten, den Beobachtungsprozess selbst inbegriffen. Diese Eigenschaft hat uns oft vor Paradoxien gestellt. Zum Beispiel: Wird das menschliche Gehirn je im Stande sein, sich selbst zu begreifen? Den Prozess des Sich-Selbst-Begreifens inbegriffen? Und so weiter.

In den Bereichen aber, wo man mechanisch vorzugehen wähnte, warteten oft die Paradoxien, die sich aus der Selbstreferenzierung ergaben. So herrschte Anfang des 20. Jahrhundert die Hypothese, dass man sämtliche mathematische Wahrheiten mechanisch aus einfachen und einleuchtenden Prämissen (Axiomen) mittels ebenso einleuchtenden wahrheitserhaltenden (logischen) Regeln herleiten könne. Diese Hypothese streng mathematisch zu beweisen, wurde als eine der großen Aufgaben durch einen der größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts David Hilbert 1920 – 1922 erarbeitetem Programm definiert. Die Frage wurde 1931 durch den damals 25 jährigen Kurt Gödel negativ gelöst: Es gibt mathematische Wahrheiten, die nicht durch solche Prozeduren erreicht, also nicht aus Axiomen mittels Schlussregeln hergeleitet werden können. Jedes System von Axiomen und logischen Regeln, das stark genug ist, Arithmetik auszudrücken, enthält Aussagen, die (in einem bestimmten, klar definierten Sinne) wahr sind, die aber ausgehend von den Axiomen mittels Herleitungsregeln nicht „erreicht“ werden können. Ein jedes solche System ist somit notwendigerweise unvollständig. Bis heute werden die Implikationen der Gödelschen Unvollständigkeitssätze für unser Verstehen des menschlichen Geistes heiß diskutiert.

In den folgenden Abschnitten möchte ich diese Ideen genauer anschauen und auf unsere Fragestellung anwenden.

Hilberts Programm

Im Jahre 1900 hat einer der genialsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts, David Hilbert, auf dem 2. Internationalen Mathematischen Kongress in Paris seinen berühmten Vortrag gehalten. In diesem Vortrag hat Hilbert 23 mathematische Problemstellungen beschrieben, welche die hellsten Geister im Laufe des 20. Jahrhunderts beschäftigen sollen. Die ersten drei dieser Probleme waren den Grundlagen der Mathematik gewidmet. Das Problem Nummer 2 setzte der Mathematik den strengen mathematischen Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Arithmetik zur Aufgabe. Dabei musste der Nachweis nur mit den Mitteln der mathematischen Logik und der Arithmetik selbst geführt werden. Das Gefühl der Notwendigkeit eines eben solchen Nachweises stellte beim Hilbert endgültig Anfang der 20-er Jahre nach der Entdeckung berühmter Paradoxien in der Mengentheorie. Diese Notwendigkeit hat er in seinem nach ihm genannten Programm in den Jahren 1920 – 1922 formuliert. Ein Nachweis, wie sich ihn Hilbert vorgestellt hat, würde eine unerschütterliche Grundlage für alle exakten Wissenschaften liefern. Er würde das Megaprojekt des Absoluten Wissens erfolgreich machen, da ja Arithmetik die Grundlage der gesamten Mathematik und somit aller mathematikbasierten Wissenschaften bildet.

Gödels Antwort

Im Jahre 1931 hat der fünfundzwanzigjährige Kurt Gödel am Rande eines mathematischen Kongresses eine Bemerkung gemacht, die einen Zuhörer, der kein Geringerer war als John von Neumann, sofort aufhorchen ließ. Gödel hat behauptet, dass er die Unvollständigkeit der Arithmetik bewiesen hätte. Genauer, er hat folgende Aussage bewiesen – den Ersten Unvollständigkeitssatz: Gesetzt den Fall, dass Arithmetik widerspruchsfrei ist (was ja alle erhofft hatten, wofür der Beweis aber noch ausstand und was zu beweisen durch das 2. Hilbertsche Problem und das Hilbertsche Programm gefordert wurde), so gibt es darin semantisch wahre Aussagen, welche aber formal nicht beweisbar sind. Das ist genau das, was Logiker unter Unvollständigkeit eines formalen Axiomensystems verstehen: Es gibt semantisch wahre Sätze, die nicht herleitbar sind. Ein Korollar zu diesem Satz – der sog. Zweite Unvollständigkeitssatz – besagt, dass auch die Widerspruchsfreiheit von Arithmetik innerhalb der Arithmetik selbst nicht herleitbar ist. Diese Sätze haben in ihrer philosophischen Interpretation die Hoffnung auf ein unerschütterliches Fundament allen Wissens zerstört. Kein mathematisches (formales) System, das die Theorie der natürlichen Zahlen enthält, kann seine Widerspruchsfreiheit selbst beweisen. Kein solches System ist im oberen Sinn vollständig. Die Widerspruchsfreiheit, auch Korrektheit genannt, eines mathematischen Systems, aber auch der gesamten Mathematik, ist für immer eine philosophische Entscheidung des menschlichen Geistes, die nicht formal bewiesen werden kann. Und das ist gut so.

Herleitbarkeit = Entscheidbarkeit

Durch die Arbeit von Gödel selbst, vor allem aber durch die von Alan Turing und von manchen anderen Mathematikern in den dreißiger Jahren, wurde erkannt, dass die Begriffe der formalen Herleitbarkeit einerseits und der Entscheidbarkeit ihrer Wahrheit durch ein (endliches) Computerprogramm deckungsgleich sind. Insbesondere sind jene und nur jene Sätze der Logik und der Arithmetik formal herleitbar, deren Wahrheit auch entscheidbar ist. Die Entscheidbarkeit ist hier theoretisch zu verstehen, da es natürlich Formel geben kann, die so umfangreich sind, dass sie von keinem real existierenden Computer berechnet und entschieden werden können, theoretisch aber dennoch entscheidbar sind. Nun, gibt es nach den Sätzen von Gödel semantisch wahre Formeln der Arithmetik, die formal nicht herleitbar sind.

Gödel und die Philosophie des Geistes

Um die Anwendung der Erkenntnisse Gödels auf die Philosophie des Geistes zu verstehen, muss der letzte Satz des vorigen Abschnitts mit den Worten ergänzt werden: „…vom menschlichen Geist aber als wahr erkannt werden“. Es gibt demnach mathematische Wahrheiten, die als solche von (entsprechend ausgebildeten) Menschen erkannt werden, deren Wahrheit von einem Computer nicht erkannt (entschieden) werden kann. Mit anderen Worten, nach den Arbeiten von Gödel und Turing, existieren wahre und zugleich absolut unentscheidbare mathematische Aussagen. In einer Vorlesung, die Gödel zu diesem Thema auf einem Kongress zu Ehren von Josiah W. Gibbs im Jahre 1951 hielt, hat er die philosophische Implikation seiner Arbeiten folgendermaßen formuliert:

„Entweder übersteigt der menschliche Geist unendlich die Möglichkeiten jeden endlichen Computers, oder es existieren absolut unlösbare ganzzahlige Probleme“.

Das Übersteigen ist natürlich im Sinne der Einsicht in die Wahrheit gemeint und nicht etwa die Rechengeschwindigkeit. Gödel selbst neigte zur ersten Alternative, dass nämlich das menschliche Gehirn jeden endlichen Computer übersteigt und folglich einfach prinzipiell anders funktioniert als ein endlicher Rechenautomat. Gödel, wie auch David Hilbert, hielt die Existenz von absolut unlösbaren Problemen – also mathematischen Problemen, deren Wahrheitswert prinzipiell mit keinerlei Mittel bestimmt werden kann – für abwegig. Im Gegenteil hielt er die erste Alternative seiner Dichotomie für richtig: Für jeden beliebigen Computer, der so programmiert ist, dass er mathematische Aussagen darauf untersuchen kann, ob es für diese einen Beweis gibt, kann man eine wahre mathematische Aussage konstruieren, die dieser Computer nicht als wahr erkennen kann. Dies würde eine vollständige Abbildung des menschlichen Gehirns durch einen wie auch immer beschaffenen endlichen Computer ausschließen.

Anwendung auf unsere Fragestellung

Das oben Gesagte lässt sich sehr eindrücklich auf unser Ausgangsproblem anwenden. Aus dem oben Gesagten folgt nämlich, dass wir uns den menschlichen Geist und somit das menschliche Gehirn nicht als einen sog. endlichen Automaten vorstellen können, ohne in Widersprüche mit der Mathematik zu geraten. Er weist (Denk-)Strukturen auf, die prinzipiell von keinem Computer abgebildet werden können.

Ich möchte ferner behaupten, dass alle Ergebnisse physikalischer Prozesse prinzipiell berechenbar sind. Ist dem so, dann kann der menschliche Geist unmöglich als Ergebnis eines physikalischen Prozesses vorgestellt werden, ohne mit der Mathematik – auch einem Erzeugnis des menschlichen Geistes – in Widerspruch zu treten.

Die Evolutionsprozesse, die angeblich zum Menschen geführt haben, laufen alle auf der Ebene der Chemie und Physik ab. Beide Wissenschaften sind längst mathematisiert und die Mathematik, die ihnen zugrunde liegt, basiert, wie alle Mathematik, auf Logik und Zahlentheorie. Den Evolutionsprozess muss man sich als eine Abfolge von diskreten „Infinitesimalschritten“ vorstellen, die den Gesetzen der Physik und Chemie gehorchen und somit mathematisch beschrieben werden können. Im Endeffekt muss man sich den Evolutionsprozess als eine gigantische Kalkulation vorstellen, deren Ergebnis alle Lebewesen inklusive des Menschen sind.

An dieser Stelle tritt die Hauptschwierigkeit auf. Zumindest einem der Ergebnisse dieser Kalkulation – nämlich dem menschlichen Gehirn – gelang ein Quantensprung. Dieses unterliegt plötzlich nicht mehr den Regeln der Berechenbarkeit, sondern schafft Einsichten in die Wahrheit mathematischer Zusammenhänge, die von keiner Berechnung als wahr erkannt werden können. Somit möchte ich die obige Aussage Gödels folgendermaßen umformulieren:

Entweder ist der menschliche Geist nicht als Folge eines berechenbaren Prozesses entstanden, oder es existieren absolut unlösbare ganzzahlige Probleme“

Für mich ist die zweite Alternative unhaltbar. Um es mit Hilbert auszudrücken: „In der Mathematik gibt es kein ignorabimus“. Es ist aber eine Entscheidung eines Jeden, in welche Richtung er sich festlegen will. Ein Beweis für die eine oder die andere Möglichkeit existiert prinzipiell nicht.

Mathematik ist ein Glaube

Ein einfaches Korollar zum zweiten Unvollständigkeitssatz – er besagt, dass die Widerspruchsfreiheit der Arithmetik nicht innerhalb der Arithmetik selbst bewiesen werden kann, vorausgesetzt Arithmetik ist tatsächlich widerspruchsfrei (im anderen Fall ist jede Aussage beweisbar) – beinhaltet die Unmöglichkeit, die Widerspruchsfreiheit der gesamten Mathematik innerhalb der Mathematik zu beweisen, vorausgesetzt Mathematik ist widerspruchsfrei. Niemals werden wir im mathematischen Sinn sicher sein, dass bewiesene mathematische Sätze wahr sind, denn das würde einen Beweis der Widerspruchsfreiheit der Mathematik als Gesamtheit erfordern, welcher nach Gödel innerhalb der Mathematik nicht gegeben werden kann. Außerhalb wohl auch nicht, zumindest ist es völlig unklar, was das bedeuten könnte, da ja schon der Begriff des Beweisens innerhalb der Mathematik situiert ist.

Das hat zur Konsequenz, dass wir an die endgültige Wahrheit der mathematischen Theoreme auf ewig „nur“ glauben können. Dies rechtfertigt meines Erachtens die Überschrift dieses Abschnitts. Ich persönlich glaube an die Widerspruchsfreiheit der Mathematik und folglich daran, dass ihre Sätze wahr sind, muss aber betonen, dass dies ein Glaube ist und bleiben muss.

Man könnte einwenden – auf philosophischer Ebene – dass Mathematik eine Unmenge sehr nützlicher Konsequenzen hat, was man von einem widersprüchlichen System intuitiv nicht erwarten würde. Nun, existiert alles, was auf dieser Welt existiert,– aus der Sicht der Evolutionstheorie – weil es für die Existenzsicherung nützlich ist oder mal war, so dass wir es hier mit einer Tautologie zu tun haben. Im Übrigen ist die Religion ja auch nützlich – viele Evolutionstheoretiker, vor allem atheistischen und agnostischen Schlags – bemühen sich umständlich zu zeigen, warum die Religion nützlich war und ist – denn sonst kann man ja ihre Existenz evolutionstheoretisch nicht erklären. Es scheint, dass bezüglich des Begriffs „Wahrheit“ Mathematik und Religion vom Menschen dasselbe verlangen, nämlich den Glauben.

Du sollst…

Da bedachten sie es bei sich selbst und sprachen:.… Wir wissen es nicht.
Matthäus, 21, 25 – 26

Ethik

Aus der Sicht der mechanistischen Evolutionstheorie ist der Mensch inklusive aller seiner geistigen Fähigkeiten durch zufällige Mutationen und den Prozess der natürlichen Auswahl der am meisten Angepassten entstanden, und daher ist auch das moralische Verhalten einem evolutionären Selektionsprozess unterworfen. Folglich sind alle moralischen Vorstellungen so gestaltet, dass sie einen (Überlebens-)Vorteil entweder dem einzelnen Organismus oder aber einer Gruppe (Kin-Selektion) bringen.

Es scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein, ethische Fragestellungen aufzuwerfen, bestimmte Sachverhalte als gut oder böse beurteilen zu wollen. Eine der Säulen der jeweiligen Ethik ist immer eine Theorie des Menschen gewesen, d. h. eine Konzeption über die Entstehung, Sinn und Ziel des menschlichen Lebens. So muss man auf dem Fundament der evolutionären Sicht des Menschen eine Ethik konstruieren können, die Antworten auf wichtige ethische Fragen der Gegenwart gibt. Ungeachtet dessen, dass es schon seit Darwin und H. Spencer unklar ist, wie man innerhalb des naturalistischen Ansatz von Ist zum Sollen schlüssig übergehen kann – und eine Ethik befasst sich eben mit dem Sollen – hat sich eine evolutionäre Ethik entwickelt. Diese versucht, auf der Basis der evolutionstheoretischen Anthropologie Antworten auf Fragen nach dem Sollen zu geben.

Nun ist man als Kritiker der Evolutionstheorie als einer anthropologischen Sichtweise versucht, die entsprechende Ethik durch den Hinweis ad absurdum zu führen, dass nämlich alles, was da ist, evolutionär vorteilhaft (gewesen) sein muss und daher ipso facto gut ist. Ich glaube aber nicht, dass die meisten Evolutionsethiker diesen absurden Schluss als ihren eigenen akzeptieren würden. Sie würden wahrscheinlich geltend machen, dass es auch gegenwärtig mehr oder weniger überlebensfähige menschliche Mutationen gibt und die Aufgabe der evolutionären Ethik gerade darin besteht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Da wir bestrebt sind, die Diskussion gerecht und aufrichtig zu führen und uns bewusst sind, dass die evolutionäre Ethik und die mit ihr verwandte Sozialbiologie sehr junge Wissensgebiete sind, möchten wir die Antworten auf folgende ethische Probleme ihnen selbst überlassen und lediglich Andeutungen auf die damit verbundenen Schwierigkeiten machen, die schon im Leitspruch zum gegenwärtigen Abschnitt anklingen.

1. Naturwissenschaftlich-technischer Fortschritt

„Man kann also festhalten, dass Kultur ebenso wie die genetische Weitergabe von Information durchaus im Dienste der erfolgreichen Fortpflanzung steht“. Diese Aussage deutet eher auf eine evolutionsethisch positive Beurteilung des Phänomens der Zivilisation. Mit Hilfe seiner Kultur hat der Mensch Probleme wie die Selbsterhaltung und die Fortpflanzung besser lösen können und sich dabei Vorteile bei der Anpassung an die vorgegebenen Umweltbedingungen erworben.

Beim zweiten Hinsehen entdecken wir allerdings zwei Haken: Fortpflanzung ist offenkundig erschwert in Ländern der Hochkultur im Vergleich zu weniger zivilisierten Ländern. Die Zivilisation ist zweitens im Begriff, der Menschheit ihre Existenzgrundlage zu vernichten, also jeglicher Fortpflanzung ein Garaus zu bereiten. Wie ist denn also die Zivilisation von dem ethischen Standpunkt zu bewerten, der erfolgreiche Fortpflanzung als Maßstab des Guten begreift?

2. Abtreibungen

Ein anderes Phänomen, dessen Bewertung seitens der evolutionären Ethik wir gerne erfragen möchten ist die Abtreibung. Es ist schwer ersichtlich, wie diese – rein menschliche – Anpassungsleistung der Fortpflanzung dienlich sein kann. Dennoch ist die Evolutionstheorie erfahrungsgemäß im Stande, auch die Phänomene als erfolgreiche Anpassung zu sehen, die beim ersten Hinsehen nicht als solche erscheinen. Wir sind zuversichtlich, dass auch hier eine Erklärung möglich sein wird. Dennoch möchten wir die evolutionäre Ethik nach ihrer Abschätzung der Wertigkeit dieses Phänomens befragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abtreibung in der menschlichen Population keineswegs selten vorkommt. In manchen Gesellschaften ist die Zahl der Abtreibungen durchaus mit der Zahl der geborenen Kinder vergleichbar. So kommen in Russland auf etwa 1,6 Millionen geborene Kinder im Jahr etwa 1,5 Millionen (gemeldete) Abtreibungen. Die Zahlen halten also die Waage und wir würden gerne die evolutionären Ethiker nach einer Empfehlung fragen, was wir in diesem Fall aus der Sicht von Gut und Böse tun sollen. Ist es gut abzutreiben, weil es vielleicht doch irgendwie der Fortpflanzung dienlich ist, und sollen wir dann das Kinderkriegen weiter reduzieren oder sollen wir lieber die Abtreibungen reduzieren und das Kinderkriegen fördern? Beides zusammen, also das Abtreiben und das Kinderkriegen, können wohl nicht gut bzw. böse sein. Entweder ist das eine gut und das andere böse oder umgekehrt. Vor diese Frage würden wir gern die evolutionäre Ethik stellen. Die Antwort auf diese Frage würde uns dann eine Antwort auf die Frage liefern, ob Menschen, die gegen Abtreibung sind und somit das Überleben ihrer Nachkommen sichern wollen, im Sinne der evolutionären Ethik gut oder schlecht handeln?

Erziehung

Auch die Erziehung von Kindern ist ein Gebiet, das weniger von unseren Modellen des Ist-Zustandes abhängt, als vielmehr von unseren Vorstellungen davon, was sein soll. Obwohl es mittlerweile Ansätze einer evolutionstheoretischen Ethik gibt, die allerdings mit den eben beschriebenen als auch weiteren Schwächen behaftet ist. Eine Theorie und Praxis der Erziehung, die konsequent die Anthropologie der Evolutionstheorie zu ihrer Grundlage machen würde, existiert meines Wissens noch nicht. Das ist verwunderlich und erscheint uns inkonsequent angesichts der Tatsache, dass diese Theorie in der Schule als das Erklärungsmodell der Entstehung des Menschen unterrichtet wird. Es wäre zu erwarten, dass auch das gegenwärtige pädagogische Handeln auf der Basis dieser allseits bewiesenen und alles erklärenden Theorie ausgerichtet wird.

Diese Pädagogik muss sicherlich als einen ihrer wesentlichen Teile die Unterweisung in erfolgreicher Fortpflanzung beinhalten. Sie muss die Kinder darin erziehen, möglichst viel Nachkommen zu zeugen, um das Überleben ihrer Gene zu sichern. Sie muss ferner Grenzen des menschlichen Altruismus aufzeigen, damit er, endlich auf wissenschaftliche Basis gestellt, der Fortpflanzung eigener und verwandter Gene bevorzugt, ohne fremden Genen zu dienen.

Die Entwicklung einer konsequenten und schlüssigen Pädagogik, auf der evolutionstheoretischen Anthropologie basierend, möchten wir als Christen unterstützen. Denn gegenwärtig existieren zwar Schulen, die sich dem christlichen Menschenbild verschrieben haben und dieses konsequent zur Grundlage ihres pädagogischen Tuns machen, Schulen dagegen, die die evolutionstheoretische Anthropologie als das Fundament ihrer Pädagogik nehmen, sind nicht entsprechend gekennzeichnet. Ja eine solche Pädagogik ist noch gar nicht entwickelt und die evolutionstheoretisch überzeugten Lehrer handeln höchst unwissenschaftlich und schlichtweg subjektiv. Kein Wunder also, dass die hitzigsten Debatten um die Evolutionstheorie sowohl hierzulande als in den USA im Umfeld der Schulen stattfinden.

Zwischenbilanz

Die mechanistische Evolutionstheorie ist weit davon entfernt, ein strenges mathematisches System zu sein. Dennoch wirken die Paradoxien, die uns darin begegnen, ernüchternd. Als Erklärungsmodell der Realität – und all unsere Theorien sind Modelle mit bessere oder schlechtere Passung – erscheint sie infolge der oben beschriebenen Paradoxien als intellektuell fragwürdig. Ähnlich dem, dass wir mathematische Wahrheiten entdecken können, die nicht durch ein maschinelles Verfahren erreicht werden können, so liegen wir Menschen weit jenseits des Bereiches, der durch mechanische Veränderungen umspannt wird. Ein Prozess, der mit einer Zelle anfängt und mit zufälligen (bio-)mechanischen Veränderungen Milliarden von Jahren weiter macht, kommt niemals zu einem Wesen, das so aus dem mechanistischen Rahmen fällt, wie wir das beim Menschen beobachten. Eine Anthropologie, die dem Menschen gerecht werden will, muss folgende verwandte Merkmale in ihren theoriegenerierenden Grundprinzipien beinhalten. Erstens, müssen diese Prinzipien dem grundsätzlichen Existenzmerkmal des Menschen gerecht werden, nämlich dem Personsein. Grundprinzipien einer Anthropologie, wie die der Evolutionstheorie, die das Personsein nicht als ein a priori Begriff beinhalten, können dem Menschen nicht zufrieden stellend genügen. Zweitens, müssen diese Grundprinzipien für die Fähigkeit der Selbstreferenz, und, drittens, für die Fähigkeit, die Unendlichkeit aktuell zu denken, Rechnung tragen. Die beiden letzten Fähigkeiten sind insbesondere für die Entstehung der modernen Mathematik verantwortlich und können nicht, wie oben ausgeführt, mit den Grundprinzipien der mechanistischen Evolutionstheorie abgebildet werden. Natürlich sehen wir im biblischen Bericht über die Erschaffung des Menschen nach dem Bild und dem Gleichnis des Dreieinigen personalen unendlichen Schöpfers jene anthropologischen Grundprinzipien, die dem Menschen mit seinen Fähigkeiten aber auch seinen Zielsetzungen wesentlich gerechter werden.

Wir fordern die philosophisch denkenden Evolutionstheoretiker über andere Ansätze als die oben beschriebenen mechanistischen nachzudenken. Sonst muss man befürchten, dass die Jünger der Evolutionstheorie verdummen und womöglich sogar mangels Anpassung aussterben.

 

Die Evolution als ein von Gott geleiteter Prozess

In diesem Abschnitt möchte – gewiss sehr skizzenhaft – auf eine religionsfreundliche Sicht bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Entstehen des Lebens und des Menschen eingehen.

Freiheit für die Wissenschaft und den Intellekt!

Man stelle sich nun probehalber auf den in der Überschrift zum Ausdruck gebrachten Standpunkt. Hat Gott alles Leben auf Erden samt dem Menschen durch einen langsamen aber geplanten und gesteuerten (nicht zufälligen) Entwicklungsprozess hervor sprießen lassen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht, sondern anders. In den letzten zwei Sätzen liegt die Freiheit der Wissenschaft verborgen, die heute aufgrund der Existenz einer einzigen Wahren Theorie verloren zu gehen droht. Der Zwang der einzig richtigen Theorie ist dann auf einmal verschwunden und der Wissenschaftler / die Wissenschaftlerin ist wieder frei, ihre eigenen Wege zu gehen und das Wie der Entstehung des Lebens zu erforschen.

Auch die den Intellekt peinigenden Paradoxien, denen oben so viel Platz eingeräumt wurde, plagen uns nicht mehr. Dafür kommen vermutlich andere. Die Tatsache aber, dass sich der Mensch mit Sinn- und Zweckfragen belastet, lässt sich viel besser innerhalb des religiösen Paradigmas erläutern. Nur hier werden die Ursprünge und die Ziele des Menschen als zwar in dieser Welt verankert und mit dieser verbunden, mit ihr aber als nicht vollständig identifizierbar verstanden. Nur innerhalb der religiösen Sicht des Menschen wird einleuchtend, warum die ganze Welt für uns zu klein ist, warum wir uns sowohl innerhalb als auch außerhalb der Materie wähnen.

Wissenschaft und Religion haben zumindest eines gemeinsam: Die Suche nach universalen, absoluten, transzendenten Wahrheiten. Damit die Wissenschaft fruchtbar betrieben werden kann, sollten die Wissenschaftler diese Verwandtschaft nicht leugnen. Im Gegenteil, sollten sie die Religion vor ignoranten und überheblichen Angriffen schützen, in dem sie die (vor-) religiösen Wurzeln ihres eigenen Schaffens anerkennen und würdigen.

Schöpfung durch Evolution – eine andere christliche Sicht

„Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels … Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier“ (Genesis 1, 20, 24). Wir können, wenn wir wollen, schon aufgrund des biblischen Berichtes eine Art Beteiligung der Materie an der Schöpfung denken. Dem Wasser und der Erde werden lebenschaffende Energien eingepflanzt, die die Materie veranlassen Lebendiges hervor sprießen zu lassen. Die Materie – Wasser und Erde – wird in diesem Schöpfungsbericht nicht als passive Empfängerin gedacht. Sie wird vielmehr als Beteiligte an der Schöpfung vorgestellt.

Die Sicht auf die Schöpfung des Lebens einschließlich des Menschen – aber auch auf die Erlösung in Christus – als Ermächtigung und Beteiligung (Partizipation, Communio) derselben an den unerschaffenen Energien des Schöpfers, der sich seinerseits als eine ewige Partizipation in der Heiligen Dreieinigkeit offenbart, durchzieht die orthodoxe Theologie. Der orthodoxen Sicht der Schöpfung ist der Gedanke einer passiven Schöpfung fremd. Im Gegenteil, sie wird als beteiligungsfähig gedacht an der Ewigkeit, der Liebe und der Schöpfungskraft Gottes. Natürlich wird diese Beteiligung unterschiedlich auf verschiedenen Ebenen der Schöpfung verwirklicht und erfahren. Die Erde und das Wasser erfahren den Schöpfer anders als die Fische und die Tiere. Und nur der Mensch ist fähig, sich seinem Schöpfer als „Du“ zu begegnen.

Die Würde des Menschen sei unantastbar!

Es wäre spannend zu erfahren, wie eine Ethik und eine Pädagogik konsequent auf der Basis der mechanistisch-evolutionistischen Anthropologie konstruiert werden könnte. Ich möchte da nicht vorgreifen. Doch bezweifle ich, dass der Satz in der Überschrift auch im Grundgesetz einer Gesellschaft stünde, die sich konsequent jener Anthropologie verschrieben hätte.

Ich möchte zum Schluss nicht unerwähnt lassen, dass auf der Basis des christlichen Menschenbildes eine überaus reiche Ethik, eine sehr differenzierte Konzeption der Freiheit und eine fruchtbare Pädagogik entstanden sind, die ihresgleichen suchen. Dabei lassen sich die Ethik und die Willensfreiheit des Menschen auf eine sehr natürliche, widerspruchsfreie Art denken.

Die Entscheidung zwischen den beiden Denkansätzen – der mechanistischen Evolution einerseits und der durch den Schöpfer geleiteten Evolution andererseits – ist vorwissenschaftlich und will vom Menschen nach anderen als wissenschaftlichen Gesichtspunkten gefällt werden. Jeder ist letztendlich frei, sich so oder so zu entscheiden und seine Erkundung der Welt und des Menschen ab da an so oder so fortzusetzen. Ich hoffe, mit diesem Beitrag eine bescheidene Orientierungshilfe geboten zu haben.

 

 


Hier ist eine Reihe von philosophischen Betrachtungen namhafter Physiker zu erwähnen, unter denen A. Einstein, M. Plank, W. Heisenberg, R. Penrose, S. Hawking und viele andere mehr zu erwähnen.

Die Bedeutung dieses Begriffs wird weiter unten präzisiert

Die genaue Einsicht in die Wahrheit dieses Schlusses überlassen wir dem Leser als eine kleine Übung

Die Hauptzielscheibe der Kritik, der die Evolutionstheorie in den folgenden Absätzen unterzogen wird, ist weniger die „reine Wissenschaft“, sondern vielmehr die Popularisierung und die Ideologisierung derselben, die die einschlägigen Publikationen füllen und die zu einer für uns unannehmbaren Sicht des Menschen neigen.

Sonst geschieht ja eine ewige Durchmischung vorhandener Stoffe ohne die Entstehung und die Entwicklung von Leben wie das z. B. auf dem Mars seit Jahrmillionen anscheinend der Fall ist.

„Nicht dass uns die Methoden und Institutionen der Wissenschaft irgendwie zwängen, eine materielle Erklärung des gestalteten Universums zu akzeptieren, sondern im Gegenteil sind wir durch unser eigenes a priori Festhalten an materielle Ursachen gezwungen, einen Untersuchungsmechanismus und eine Auswahl von Konzepten zu schaffen, die materielle Erklärungen hervorbringen, ungeachtet dessen wie intuitionsfeindlich, wie verwirrend für den Uneingeweihten sie sein mögen. Überdies ist der Materialismus absolut, daher können wir keinen göttlichen Fuß in der Türe erlauben.“ Richard Lewontin, "The Demon-Haunted World", The New York Review of Books, 9. Januar 1997, S. 28

s. Richard Dawkins, The Selfish Gene

s. auch Richard Dawkins, Der Gotteswahn

s. Michael Cremo, Richard Thompson, Verbotene Archäologie, Kopp-Verlag Rottenburg, 2006

Für eine gute Diskussion der Thematik siehe die Zeitschrift Philosophia Matematica 2006, 2

In seiner Dissertation hat Gödel 1930 die Vollständigkeit der sog. Logik erster Stufe bewiesen. In diesem inhaltlich ärmeren System ist formale Herleitbarkeit demnach gleichbedeutend mit semantischer Wahrheit. Die Vollständigkeit geht allerdings verloren, sobald man zum inhaltlich reicheren System der natürlichen Zahlen übergeht.

Es gibt sogar unendlich viele solche Sätze, wie die Arbeiten des Mathematikers Gregory J. Chaitin zeigen. S. a. http://plus.maths.org/issue37/features/omega/

und somit dieses ultimative Endziel der Forschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz in Frage stellen

„Wir wissen es nicht“

Hier ist mit der Gesamtheit der Mathematik die Konjunktion aller Axiome aller formalen Systeme (formalisierten Teilbereiche) der Mathematik gemeint. Innerhalb dieses gigantischen formalen Systems ist die Herleitung ihrer eigenen Widerspruchslosigkeit nicht möglich.

Insbesondere möchten wir uns mit einer extremen Richtung innerhalb dieses Ansatzes nicht auseinandersetzen, die durch folgenden „Syllogismus“ von Herbert Spencer (Study of Sociology, 1874) exemplifiziert wird:

A. Natural selection will ensure the survival of the fittest.
B. Person P is dying from starvation because he is ill, old, and poor.
C. Therefore, fellow humans ought to morally avoid helping person P so that the survival of the fittest is guaranteed.
Wir sind nämlich der Überzeugung, dass dieser Standpunkt für heutige Evolutionstheoretiker auch indiskutabel ist.

Wikipedia, Artikel zur „Soziobiologie“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Soziobiologie)

s. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,515902,00.html

Folgt in einem mathematischen System (einem sog. formalen System) aus ihren Grundprinzipien (Axiomen) deren Negation, so wird von einem widersprüchlichen System gesprochen. In einem widersprüchlichen System kann jede Aussage hergeleitet werden, sein Erkenntniswert ist also gleich null. Etwas Ähnliches geschieht im Fall der Evolutionstheorie, in der, wie oben ausgeführt, aus dem Grundprinzip der Entwicklung durch Anpassung die Nichtanpassung des Menschen durch den Hinweis auf den Grundmechanismus der Anpassung erklärt wird.

So steht es zwar nicht im Grundgesetz, wir ziehen für uns aber eben diese Formulierung vor