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Rückkehr nach Stuttgart

Ich selbst bestieg am 9. September die Postkutsche, um über Warschau nach Deutschland zu reisen, und fühlte, welcher Stein mir von den Schultern gefallen war, nicht weil ich zu meinem freien Leben nach Stuttgart zurückkehrte, sondern von der stickigen Luft, mit der sich alle schwer tun, die nicht daran gewöhnt sind. Nach Stuttgart zurückgekehrt, erzählte ich alles der Großfürstin Olga Nikolaewna. Sie antwortete mir, dass das alles ganz gut wäre, wenn es einige Jahre früher geschehen wäre, aber jetzt, wo ich schon so lange der Beichtvater ihrer Hoheit war, wäre es unannehmbar, als Assistent für Religionsunterricht nicht einmal bei Bazanow, sondern Roshdestwenskij eingesetzt zu werden.

“Ich habe der Kaiserin versprochen, – sagte sie schließlich –, Sie für den Thronfolger abzugeben, und nur für dieses Ziel würde ich mich von Ihnen trennen”.

Danach verstand ich, dass mein Schicksal trotz meiner vielen Versuche zum Dienst nach Russland zurückzukehren, von oben zum Dienst an der Kirche und am Vaterland im Ausland vorbestimmt war. So erinnere ich mich eines Gespräches zu diesem Thema mit dem Wiener Erzpriester Rajewskij. Voll jugendlichen Eifers entwickelte ich damals vor ihm Beschwerden darüber, dass unsere geistlichen Vorgesetzten uns Priestern im Ausland wenig Entfaltungsmöglichkeiten geben. Ich meinte, dass man darauf hätte achten müssen, dass die jungen Menschen, die den Dienst im Ausland antreten, hier sowohl ihre Kenntnisse, als auch ihre Ansichten über die Bedürfnisse der Kirche erweitern, weshalb man sie nach einer bestimmten Zahl von Jahren nach Russland zurückrufen und ihnen mehr oder weniger einflussreiche Posten einräumen müsse, auf denen sie ihr in der Praxis erworbenes Wissen zum Nutzen des kirchlichen Lebens in der Heimat anwenden könnten. Darauf antwortete er mir, dass unsere geistlichen Vorgesetzten zufrieden sein müssten, wenn sie fähige Personen für die Posten im Ausland finden, und, wenn sie solche gefunden haben, müssen sie diese schätzen und an ihre Stellen nicht neue ernennen.

“Schauen Sie sich um, – sagte er –,  wer könnte derzeit E. I. Popow in London oder I. V. Wasiljew in Paris besser ersetzen oder Janyschew in Wiesbaden oder Sie in Stuttgart oder mich in Wien? Selbst wenn Sie uns gegeneinander austauschen, so würden wir ungeeignet für die neue Tätigkeit sein, während jetzt jeder an seiner Stelle ist, Erfahrung und Routine gewonnen hat, der Kirche und der Heimat mit großem Nutzen dient”. Goldene Worte, und wie viel Wahrheit war in ihnen, wenigstens für jene Zeit!

Im Juni 1860 kam die Kaiserin Alexandra Feodorowna nach Wiesbaden, und infolgedessen übersiedelte dorthin auch unsere Großfürstin und ich mit dem Klerus zur Durchführung der Gottesdienste. Dies war der letzte Besuch der Kaiserin in Wiesbaden und überhaupt im Ausland, da sie im Herbst dieses Jahres verstarb. Interessant war ein Vorzeichen dieses Ereignisses, das vor meinen Augen geschah. Am Geburtstag des verstorbenen Kaisers, am 25. Juni, hielten wir einen Gedenkgottesdienst in den Räumlichkeiten der Kaiserin. Als ich ihrer Hoheit eine brennende Kerze gab, erlosch diese plötzlich in ihrer Hand. Die Kaiserin wandte sich ohne die geringste Betrübnis an die neben ihr stehende Großfürstin Olga Nikolajewna und sagte: “Siehe! Ich werde sterben”.