Beitragsseiten

Russische Kirchen in Weimar, Remplin, Luwigslust und Rothenberg

Im Juni dieses Jahres rief man mich nach Weimar, wo die Großfürstin Maria Pawlowna gestorben war. Hier versammelten sich außer mir der Berliner Priester und der hiesige Erzpriester Sabinin für die feierliche Beerdigung der Großfürstin. Hier lernte ich zum ersten Mal ihre Tochter kennen, die Prinzessin Augusta, die jetzige deutsche Kaiserin. Ich schenkte ihr damals meine Übersetzung der Panichida, und tat ihr damit einen solchen Gefallen, dass sie sich von diesem Büchlein nicht nur während der Panichiden am Grab ihrer verstorbenen Mutter nicht mehr trennte, sondern, wie sie mir selbst sagt, später auch nicht bei ihren persönlichen Gebeten für die Seelenruhe ihrer Mutter. Dieses Mal schenkte sie mir als Zeichen ihres Wohlwollens eine Ikone der Gottesmutter von Kazan, die auf Porzellan gemalt war, in einem geschnitzten Holzrahmen, und sie nahm mir das Wort ab, dass ich mich immer in jeder Stadt, in die sie fahren wird, bei ihr melde, was ich auch heilig bis jetzt erfülle, besonders in Baden-Baden, wo sie sich häufig aufhält und ihre Hoheit jedes Jahr den Frühling und den Sommer verbringt. Einmal weilte ich in Baden-Baden nur wenige Tage während ihres Aufenthaltes und konnte mich nicht bei ihrer Hoheit melden. Als sie meinen Namen auf der dortigen Fremdenliste las, ließ sie sofort unseren Gesandten Koloschin rufen und fragte ihn aus, weshalb ich in Baden-Baden war und sie nicht aufgesucht hatte. Dieser antwortete, dass ich nur auf eine Nacht gekommen und am nächsten Morgen abgereist war. Dies zwang mich dazu, mich unbedingt bei ihr zu melden. Ihr Bruder, der jetzt regierende Großherzog von Sachsen-Weimar, erwies mir sowohl in jener Zeit in Weimar, als auch bei verschiedenen späteren Begegnungen sein besonderes Wohlwollen. Nach der Beerdigung der Großfürstin zeichnete er mich mit einem Brillantring und dem Weimarer Orden des Weißen Falken am Halsband aus. Auf diese Weise wurde meinem Zeringer Löwen nun ein Falke zugesellt, und ich erinnerte mich an den Scherz des Grafen Tolstoj, der sagte, dass ich bald einen ganzen Zoo am Hals haben werde.

Im Juli begab sich unsere Großfürstin nach Bad Ems, wo sich in dieser Zeit die Kaiserin Alexandra Feodorowna aufhielt. Die Gottesdienste dort vollzog Janyschev mit dem Klerus aus Wiesbaden. Doch ihn forderte die Großfürstin Helena Pawlowna nach Mecklenburg an zur Einweihung der Kirche in Remplin, wo die Sommerresidenz der Großfürstin Katharina Michailowna eingerichtet werden sollte, die mit dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz verheiratet ist, und ich wurde nach Bad Ems gerufen, um den Gottesdienst für die Kaiserin zu halten. Der Mecklenburgische Doppelstaat, der in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz zerfällt, besitzt jetzt drei russische Kirchen. Außer der in Remplin gibt es dort jetzt eine Kirche in Ludwigslust, der Sommerresidenz der Großherzogin Elena Pawlowna, einer der fünf Töchter des Zaren Pavel Petrovitsch, die im Ausland verheiratet waren. Eine von Ihnen, Katharina Pawlowna, war die Württembergische Königin und ist auf dem Rothenberg begraben, eine andere, Alexandra Pawlowna, war mit dem ungarischen Palatin Joseph verheiratet und ist in Irom, in der Nähe von Budapest, in einer speziell für diesen Zweck erbauten russischen Kirche beerdigt. Die dritte, Maria Pawlowna, die in Weimar starb, ist in der herzoglichen Gruft beigesetzt, neben den Gräbern von Goethe und Schiller. Übrigens wurde an diese Gruft eine kleine russische Kirche angebaut, und den Sarg der Großfürstin stellte man so auf, dass er zur einen Hälfte in der russischen Kirche steht, zur anderen aber in der allgemeinen Gruft der Sachsen-Weimarer Herzöge, die auch die sterblichen Überreste der beiden großen deutschen Dichter in ihrer Mitte aufzunehmen geruhten. Die vierte der fünf Schwestern, die im Ausland verstarben, war Anna Pawlowna, die Königin der Niederländer, die im Haag starb. Schließlich die fünfte Helena Pawlowna, die in Mecklenburg beerdigt ist. All unsere Kirchen im Ausland sind nicht Hauskapellen, sondern richtige Kirchen, die meistens an auffallenden und erhabenen Punkten erbaut wurden, und ich erinnere mich der Bemerkung, die Gogol dazu machte, als die Kirche in Wiesbaden ebenfalls auf einem Berg gebaut wurde, von wo sie auf weite Entfernung zu sehen war.

“Sehen Sie, – sagte er mir –, wie die Ausländer unsere Kirchen verherrlichen, ohne dies selbst zu bemerken. Sie werden sie mit der Zeit alle mit ihrem Orthodoxen Kreuz segnen”.

“Gebe Gott, dass diese prophetischen Worte unseres großen Dichters einmal Wahrheit werden”.

Ende Juli verließ die Kaiserin Bad Ems und begab sich nach Interlaken. Ihr folgte auch unsere Großfürstin, ich aber kehrte auf meinen Rothenberg zurück. Hier unternahm ich mit meinen Kindern und deren Gefährten eine längst geplante Reise, teils mit der Eisenbahn, teils aber zu Fuß, zu den Ruinen des Rechberg und Hohenstaufen. Württemberg ist überhaupt reich an Denkmälern historischer Ereignisse, die auf einem kleinen Raum zusammen liegen. So ist vom Rothenberg das Schloss Hohenzollern zu sehen, die Wege des jetzt regierenden preußischen Kaiserhauses, und auf der anderen Seite unseres Berges liegt das Städtchen Waiblingen, das den Wibelinen in ihrem Kampf mit den Welfen ihren Namen verlieh, die ihrerseits ihren Sitz im südlichen Württemberg hatten. Leider sind von all diesen historischen Ereignissen sehr wenig materielle Denkmäler verblieben. So fanden wir auf dem Berg, auf dem einstmals das StammSchloss der Hohenstaufen stand, nichts außer einem Stein, der auf dem Platz aufgestellt wurde, wo das Schloss stand, alles andere wurde von den Bewohnern der benachbarten Dörfer für ihre Hausbauten weggetragen, und vielleicht kann man in dem einen oder anderen Stall Steine mit historischen Aufschriften entdecken, worum sich jetzt der unlängst gegründete Verein der Liebhaber der Heimatgeschichte sehr bemüht. Von dem Ausflug zurückgekehrt, setzte ich unbesorgt meine Villeggiatura fort, unter Ausnutzung dessen, dass meine gesamte Stuttgarter Gemeinde zum Sommer in Badeorte und Sommervillen gereist war, als ich plötzlich eine Depesche vom Sekretär der Kaiserin Maria Alexandrowna erhalte, in der steht, dass ihre Hoheit wünscht, dass ich mit dem nächsten Postschiff von Stettin nach Zarskoe Selo komme. Das war zu Anfang der Woche, die Schiffe aber fuhren sonnabends, so dass mir nicht mehr als zwei Tage verblieben, um mich auf die Reise nach Stettin vorzubereiten. Mir war jetzt klar, dass die Verhandlungen über meine Einstellung als Religionslehrer für die Großfürsten mit dem Vorschlag der Großfürstin Maria Nikolaewna endeten, diese Stelle nicht ohne vorherige Probezeit anzunehmen, und dass man mich jetzt für diese Probe kommen ließ.