Entführung aus Wiesbaden
Doch meine Übersiedlung von Wiesbaden nach Stuttgart konnte nicht so schnell vonstatten gehen. Sowohl die Fürstin Gortschakow als auch Glinka benachrichtigten mich hiervon, aber eine offizielle Verlautbarung war zu dieser Angelegenheit noch nicht eingetroffen, und ich befand mich von einem Tag zum andern in einer misslichen Lage vor dem Nassauischen Herzog, der von meiner bevorstehenden Versetzung noch nichts wusste. Plötzlich erhalte ich im Oktober aus Frankfurt eine Benachrichtigung von Glinka, dass er vom Sekretär der Großfürstin, Adelung, einen Brief erhalten habe, in dem dieser ihm den Wunsch Ihrer Hoheit mitteilt, dass ich unverzüglich zur Übernahme der Kirche von Vater Pewnitzkij, welcher dieser Tage nach Russland abreist, nach Stuttgart kommen solle. Es war nichts zu ändern, ich musste mich beim Herzog melden, und wenn auch noch nicht vollständig Abschied nehmen, so doch zumindest von meinem bevorstehenden Wechsel an einen neuen Ort berichten. Doch hier geschah eine Szene, die ich überhaupt nicht erwartete. Der Herzog nahm diese Nachricht mit solcher Erregung und Ungehaltenheit auf, dass ich Furcht bekam.
“Wie", sagte er, "man nimmt mir meinen letzten Trost, der mir nach dem Tod meiner armen Frau geblieben ist! Sie waren ihr geistlicher Vater! Sie waren mit mir bei ihren letzten Zügen anwesend! Und Sie will man mir nehmen!” Dabei ergoss sich der arme Herzog in Tränen.
“Nein", fuhr er fort, "halten Sie ein. Ich werde alles unternehmen, um das zu verhindern. Ich werde an den Zaren schreiben, ich schreibe an Olga Nikolajewna, aber Sie lasse ich nicht gehen.”
So fuhr ich nach Stuttgart, aber zunächst nur vorübergehend, zur Übernahme der Kirche, wonach ich nach Wiesbaden zurückkehrte. Der Herzog begann tatsächlich, seine Drohungen auszuführen, und ich verblieb in Erwartung dessen, wie dieser Streit um mich enden würde, als eines schönen Novembertages aus Stuttgart der Sekretär der Olga Nikolajewna, N.F. Adelung, kam, ein sehr kluger und energischer Mensch, sich zum Herzog begab und mit ihm den Kampf aufnahm, in dessen Verlauf er bewies, dass meine Versetzung bereits durch kaiserlichen Beschluss entschieden war, den man nicht verändern könne. Und als der Herzog zu klagen begann, dass man an meiner Stelle irgendeinen Priester schicken wird, der ohne Kenntnis all dessen, was mit seiner verstorbenen Gattin bei ihrem Tod und Begräbnis geschah, die Gebete für ihre Seelenruhe wie ein Papagei lesen wird, machte sich Adelung zur Verteidigung der russischen Kirche und Geistlichkeit stark, und wies den Herzog darauf hin, dass es unter den russischen Priestern keine Papageien gibt, und dass jeder Priester, der an meiner Stelle geschickt wird, mit gleichem Eifer am Sarg seiner verstorbenen Gattin beten wird. Ich weiß nicht, wieweit Adelung einen Sieg über den Herzog davontrug, da er jedoch sofort bei mir mit der Forderung erschien, unverzüglich mit ihm nach Stuttgart zu reisen, konnte ich schließen, dass er sich um den Erfolg seines Sieges noch sorgte. Ich musste schnellstens meine Kinder vorbereiten, und meine Wohnung der Sorge von Bekannten überlassen, um unverzüglich nach Stuttgart umzuziehen. Auf diese Weise wurde ich sozusagen aus Wiesbaden entführt, und fuhr ab, ohne mich wenigstens von dem Herzog verabschiedet zu haben. Dies war am 1. (13.) November 1851.